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Psychotherapiemethoden: EMDR kann auch bei Depressionen wirken

PP 17, Ausgabe Dezember 2018, Seite 566

Gießelmann, Kathrin

".... 2 Studien in Frontiers of Psychology bestätigen jetzt, dass die EMDR-Therapie auch bei der Behandlung von Depressionen bei Erwachsenen mindestens gleichwertig mit bislang angewendeten Psychotherapieformen ist.

Seit vielen Jahren ist bekannt, das belastende Lebensereignisse die Entstehung depressiver Störungen beeinflussen. Deshalb verfolgt die Forschungsgruppe EDEN (European Depression EMDR Network) seit 7 Jahren das Ziel, Erlebnisse, die mit der Entstehung der Depression verbunden sind, mit EMDR zu verarbeiten. Die EMDR nutzt die gezielte Aktivierung von Erinnerungen an traumatische Erlebnisse bei gleichzeitigen starken Augenbewegungen, damit ein Patient belastende Erlebnisse verarbeiten kann.

Die EDEN-Gruppe hatte schon 2 kontrollierte Studien veröffentlicht, die auf eine hohe Wirksamkeit der EMDR-Methode bei depressiven Störungen und vor allem auf eine tendenziell höhere Anzahl von kompletten Remissionen durch eine EMDR-Behandlung hingewiesen haben. Dies wird nun von 2 weiteren, randomisierten kontrollierten Studien bestätigt...."

 

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/archiv/203838/Psychotherapiemethoden-EMDR-kann-auch-bei-Depressionen-wirken

 

EMDR bei Depressionen – ein Projekt wird geboren
Arne Hofmann

"Depressionen sind die häufigsten psychischen Störungen weltweit und die Zahl der betroffenen Menschen steigt in den letzten zehn Jahren zunehmend an. Nach Voraussagen der WHO wird dies auch in den nächsten zehn Jahren weiter der Fall sein und dies unabhängig davon, dass durch die Covidpandemie auch ein weiterer Anstieg zu erwarten ist.
Auf der anderen Seite steht dem ein breites Angebot von psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsangeboten gegenüber, deren Wirksamkeit unbestritten ist, sodass sie in die medizinisch wissenschaftlichen Leitlinien eingegangen sind.
Zunehmend wächst jedoch das Bewusstsein, dass die Behandlungsinformationen der bisherigen Leitlinien für depressive Störungen vielen Patienten nur begrenzt helfen können.
Zwei Probleme stehen hier im Vordergrund. Dies ist zum ersten die Beobachtung, dass ca. 15 % aller Patienten trotzleitliniengerechter Behandlungen ihre chronisch gewordene Depression nicht mehr verlieren. Zum zweiten ist dies die Beobachtung, dass etwa die Hälfte aller Menschen mit depressiven Erkrankungen im Zeitraum von etwa zwei Jahren, trotz erfolgreicher leitliniengerechter Behandlung, einen Rückfall ihrer depressiven Erkrankung erleiden. Wird der Beobachtungszeitraum verlängert, steigert sich diese Rückfallrate auf mehr als zwei Drittel der Patienten.
Diese Rückfälle sind auch durch extreme Maßnahmen wie Elektrokrampftherapie (EKT) kaum zu beeinflussen.
Auf der Suche nach Auswegen aus dieser Situation ist ein Meer von Veröffentlichungen und Büchern entstanden, die für den Nichtspezialisten kaum überschaubar sind. Festzuhalten ist hierbei jedoch eine deutlich zunehmende Abkehr von der alleinigen Pharmakotherapie, die nach neueren Studien überhaupt erst bei schweren Depressionen statistisch wirksam scheint, sowie eine Beendigung der Suche nach Kandidatengenen, von denen erhofft worden war, dass durch sie ein besserer pharmakologischer Interventionsweg für depressive Erkrankungen gefunden werden kann. Vor diesem Hintergrund treten zunehmend andere Forschungsarbeiten in den Vordergrund, die schon seit vielen Jahren gut belegen können, dass es eine enge Beziehung zwischen belastenden Lebensereignissen und dem Risiko einer depressiven Erkrankung gibt. In den meisten Fällen wurden diese Lebensereignisse jedoch lediglich als Risikofaktoren und nicht als die auslösenden Ereignisse der Depression gesehen. Dies ist im AiP Modell der EMDR Therapie anders. In diesem Krankheitsmodell werden belastende Lebensereignisse, die zu pathogenen Erinnerungen geworden sind, sowohl als Risikofaktoren und Depressionen auslösende wie auch die Depression unterhaltende Erinnerungsstrukturen gesehen. Unter EMDR Therapeutinnen und Therapeuten ist seit vielen Jahren bekannt, dass immer wieder auch die Verarbeitung von belastenden Lebensereignissen mit EMDR Therapie zur Auflösung von nicht nur posttraumatischen Belastungsstörungen, sondern auch von depressiven Erkrankungen geführt hat.
Diese Beobachtungen waren jedoch in den meisten Fällen detailliert beschriebene Einzelfälle und in einem Fall eine
Fallserie von zwei Fällen (Bae 2008).
Interessant war, dass bei vielen dieser Fälle das auslösende belastende Erlebnis nicht die Kriterien des Kriteriums A der posttraumatischen Belastungsstörung (z. B. Lebensgefahr) erfüllte.
In einer der Studien wurde sogar beobachtet, dass für die meisten depressiven Patienten diese Auslöseereignisse etwa
zwei Monate vor Beginn der depressiven Episode geschahen. Die Ereignisse, die in dieser Studie als Auslöser be-
schrieben wurden, waren: Trennungen, Verluste (auch materielle), Beschämung (wie zum Beispiel beim Mobbing) und
Erniedrigungen. Nach Ereignissen, die im Zusammenhang mit Lebensgefahr standen, wurde lediglich eine Erhö-
hung von Angststörungen festgestellt. Ein signifikanter Zusammenhang mit der Auslösung depressiver Episoden
bestand nicht (Kendler 2003).
Ausgehend von diesen Beobachtungen begannen wir am EMDR Institut Deutschland im Jahr 2007 mit einer
ersten Nachbefragungsstudie, um zu prüfen, ob diese positiven Einzelfallbeobachtungen auch in einer systematischen Untersuchung feststellbar waren.
In dieser Untersuchung wurden erfahrene MitarbeiterInnen des EMDR Instituts angefragt, ob sie in den letzten
Jahren Patienten mit einer primären Depression mit Rückfällen (ohne PTSD) mit EMDR Therapie behandelt und die
Behandlung abgeschlossen hatten. Wir fanden auf diese Weise zehn PatientInnen, deren Behandlung mit EMDR Therapie vor drei bis vier Jahren abgeschlossen worden war. Das durchschnittliche Alter betrug 52 Jahre, es meldeten sich neun Frauen und ein Mann. Fünf Patienten hatten eine rezidivierende Depression (F 33.2), zwei eine sogenannte doppelte Depression (majore Depression und eine Dysthymie, F 34.1) und drei litten an einer chronischen Depression, die bereits über zwei Jahre anhielt. Die Zahl der bisherigen Rückfälle war durchschnittlich 6,4 (3-13). Alle waren in ambulanter verhaltenstherapeutischer oder psychodynamischer Behandlung mit durchschnittlich 60 Behandlungssitzungen, inklusive sieben bis acht Sitzungen mit EMDR Erinnerungsbearbeitung, gewesen.
Da eines der Probleme der Behandlung depressiver Störungen die nur wenig zu beeinflussende Rückfallrate ist, fragten
wir diese Patienten, wie es ihnen derzeit ging, ob sie zwischenzeitlich einen depressiven Rückfall erlitten hatten,
und ob sie bereit wären, einen Depressions-Fragebogen auszufüllen. Das Ergebnis war erstaunlich.
Zum Zeitpunkt der Beendigung ihrer Therapie hatten sieben Patientinnen eine volle Remission ihrer Depression
gehabt. Zum Zeitpunkt der Nachbefragung hatten neun eine komplette Remission. Die Zahl der Patienten,
die ihre Depression verloren hatten, war also nicht zurückgegangen, sondern war angestiegen!

Neun der Patienten berichteten trotz der vor der Behandlung bestehenden Rückfälle, in den drei bis vier Jahren
seit Beendigung der Therapie keinen Rückfall erlitten zu haben. Es gab lediglich eine Patientin, die rückfällig gewor-
den war....."

Quelle:

https://www.emdria.de/fileadmin/user_upload/emdira/PDF/Zeitschrift_fuer_EMDR_Nr.6_Juli_2021.pdf  S. 6 - 7

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